Le vin de Champagne: histoire d’une politique économique

Le vin de Champagne: histoire d’une politique économique

Organisatoren
Deutsches Historisches Institut Paris; IRCOM (Institut de Recherches sur les Civilisations de l’Occident Moderne); Centre Roland Mousnier (Université Paris-Sorbonne) mit Unterstützung von Moët & Chandon und dem Club Trésors de Champagne
Ort
Paris, Épernay
Land
France
Vom - Bis
23.09.2005 - 24.09.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Mareike König, Deutsches Historisches Institut, Paris; Cornelia Escher, Deutsches Historisches Institut, Paris

Champagner – der mythische Wein mit internationalem Renommee weckt bei fast jedem eine Reihe von Assoziationen und Bildern. Dennoch gibt es nur sehr wenige Arbeiten, die sich wissenschaftlich mit Champagner auseinander setzen. Dabei sind die möglichen Themen vielfältig und betreffen Sozial,- Kultur- und Wirtschaftshistoriker genauso wie Geographen und Juristen. Mit einem zweitägigen Kolloquium, das einen Schwerpunkt auf die deutsch-französischen Beziehungen legte, wurde nun eine Bestandsaufnahme der aktuellen Forschungen über Champagner geleistet und offene Fragen diskutiert, mit der Zielsetzung, weitere Forschungen in diesem Bereich anzuregen.

Eine allgemeine Einleitung zum Thema präsentierte Claire Desbois-Thibault (Paris), Autorin der jüngst erschienenen Monographie über die Geschichte des Hauses Moët & Chandon 1, selbst Champagnerproduzentin und damit ausgewiesene Spezialistin. Viel sei über Champagner geschrieben worden, so resümierte sie den Stand der Forschung, aber mit sehr unterschiedlicher Qualität und vor allem mit deutlichen Lücken bei den universitären Arbeiten. Zukünftige Forschungsfelder sieht sie hauptsächlich um drei Achsen gruppiert:
- die Geschichte des Weins der Champagne aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive (Geschichte seiner Entstehung, des Konsums, des Geschmacks)
- die Akteure des Champagners (Produkteure und Händler)
- die Wirtschaft der Champagne z.B. mit Studien über Gewerkschaften und Kooperativen oder mit Untersuchungen über die Rolle des Luxusguts Champagner im Außenhandel Frankreichs.

Die Vorträge des ersten Vormittags waren um die „Geschichtes des Champagners vor dem Champagner“ gruppiert, das heißt um die Entwicklung vom Wein aus der Champagne bis hin zum perlenden Champagner, wie wir ihn heute kennen. Rolf Sprandel (Würzburg) zeichnete Importwege französischen Weins nach Deutschland im späten Mittelalter nach. Patrick Demouy (Reims) widmete sich der Schlüsselrolle der Erzbischöfe von Reims bei der Entwicklung des Champagners sowie der Einflüsse der Mönche und Domherren der Region. Jean-Pierre Poussou (Paris) sprach über die Anfänge der Herausbildung von Qualitätsweinen von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Er unterstrich die große Bedeutung der englischen Konsumenten, keineswegs nur aus der Haute Société, die damals die Hauptkundschaft für Luxusgetränke wie Madeira und Cognac bildeten. Diskutiert wurde die Frage, wie der Champagner zu einem Luxusgut aufsteigen konnte bzw. gemacht wurde.

Der Nachmittag stand unter dem Thema „Champagner – eine deutsch-französische Geschichte“. Roederer, Heidsieck, Deutz, Geldermann, Mumm, Bollinger etc. – vielen der Champagner-Häusern hört man die deutsche Herkunft an, so Werner Paravicini (Paris) in seinem einleitenden Überblick. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, vor allem aber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Deutsche in die Champagne, ließen sich dort ausbilden und gründeten ihre eigenen Champagner-Häuser. Die Familien integrierten sich schnell, arrangierten ihren Bikulturalismus mit Loyalität gegenüber Frankreich. Ihre Identität war zunächst weniger auf nationale Aspekte bezogen, als auf die Herstellung des Produkts „Champagner“, der immer stärker protegiert wurde.

In den folgenden Beiträgen ging es um verschiedene Häuser, deren Gründungsgeschichte, die Rolle der verwandtschaftlichen Beziehungen, der Handel mit Deutschland, die Wichtigkeit des Repräsentanten (commis voyageurs) und schließlich um die Einflüsse der deutsch-französischen Beziehungen, gezeichnet von den kriegerischen Auseinandersetzungen von 1870/71, dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Fabrice Perron (Reims) stellte fest, dass der Champagner-Handel im 19. Jahrhundert eher mit mittel- und süddeutschen Städten als mit den Hansestädten betrieben wurde. Wenige Städte hatten überhaupt mehr als zehn Kunden. Dominique Barjot (Paris) legte in seinen Ausführungen über das Haus Veuve Clicquot-Ponsardin dar, dass ein „commis voyageur“ auch zum „associé“ aufsteigen konnte. Er unterstrich außerdem das große wirtschaftliche Risiko in der Champagnerherstellung. Verluste durch Missernten oder Fehler in der Produktion waren nur sehr schwer kalkulierbar. In ihrer Geschichte der Häuser Deutz und Geldermann legte Bärbel Kuhn (Saarbrücken) einen Schwerpunkt auf den Einfluss des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. In unmittelbarer Folge wurde in Deutschland sehr viel weniger Champagner konsumiert. Die Qualität sei geringer, Frankreich liefere nur noch zweite Wahl, so der Vorwurf deutscherseits verbunden mit dem patriotischen Aufruf, den eigenen, deutschen Sekt zu trinken. Der Champagner wurde in dieser Zeit zum Zeichen der französischen Décadence stilisiert. Nicolas Vergne (Bielefeld) stellte die engen verwandtschaftlichen Bindungen der Häuser Heidsieck in den Mittelpunkt seines Beitrags und bedauerte, dass die Öffnung des Hausarchives für Forschungen noch ausstehe. Marc Schalenberg (Berlin) zeichnete die Entstehung des Hauses Krug nach, das nicht nur nach Deutschland, sondern auch nach England enge Kontakte unterhielt.

Einen eigenen Platz in der Reihe dieser Vorträge nahm der Beitrag von Jean-Pierre Husson (Reims) ein, der über die Rolle des Champagners während der deutschen Besatzung Frankreichs 1940–1944 sprach. Dem Mythos vom „vin resistant“ (den es auch im Hause Moët Chandon gab) setzte er seine Interpretation des „champagne collaborateur“ entgegen. Auf dem Schwarzmarkt war der Champagner damals das am meisten gehandelte Gut. Verkauft wurde an die deutschen, später an die amerikanischen Soldaten, wobei sich der eine oder andere eine „fortune scandaleuse“ erwerben konnte. Doch Säuberungen oder Sanktionen fanden nach dem Krieg nicht statt.

In der anschließenden Diskussion wurde die Ausbildung der Söhne zum Leiter des Unternehmens thematisiert. Die Ausbildung erfolgte stets innerhalb des Unternehmens selbst: Dem Studium schloss sich ein zweijähriger Aufenthalt im Ausland zur Erlernung oder Vervollkommnung der Sprache an. Anschließend wurde ein Jahr im eigenen Unternehmen an der Seite der Arbeiter praktische Fähigkeiten erlernt.

Am nächsten Tag traf man sich im Auditorium des Hauses in Épernay. Der Vormittag war dem Themenbereich „Mythos und Konsum des Champagners“ gewidmet. Robert Pitte (Paris) eröffnete den zweiten Sitzungstag mit seinem Vortrag über das Image des Champagners in seiner Entwicklung seit dem 17. Jahrhundert. Beriefen sich die Herstellerhäuser bereits früh auf eine besondere Tradition ihres Weines, so findet sich die Assoziation mit Luxus, gesellschaftlichem Leben, ‚esprit français’, Liebe und fröhlicher Leichtigkeit in Theaterstücken des 17. Jahrhunderts ebenso wie im medizinischen Diskurs bis hin zu aktuellen Werbestrategien. Letztere spielen mit der Berufung auf die Tradition und den Luxus der Belle Epoque im Kontrast zum vergänglichen Charakter des Getränks, evozieren dabei jedoch eher illusionäre Räume als den tatsächlichen Anbauort, die Champagne.

Ging es hier zunächst um imaginäre Bilder, so basierte der Vortrag von Hans Ottomeyer (Berlin) auf Darstellungen des Champagnergenusses in der Tafel- und Sittenmalerei. Diese verweisen für die Kulturgeschichte des Champagners von 1750 bis 1900 auf eine Vielzahl von sich wandelnden Sitten und Gebräuchen, die sich beispielsweise in spezieller Kühltechnik und Glasform ausdrücken. Während der Kult um den Champagner seine Blütezeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte, so gelang der Sprung vom beispielsweise bei Jagdausflügen genossenen Gelegenheitsgetränk hin zur festen Integration ins Menu erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Einen Blick auf die Weinproduktion in der Champagne zwischen 1650 und 1830 gewährte Benoît Musset (Reims). Er beschrieb ein Spektrum an verschiedenen Weinsorten, denen jeweils ein spezieller Kundenkreis entsprach, welcher die Produktion durch die Nachfrage wesentlich beeinflusste. Während minderwertiger, meist roter Wein eher an lokale, weniger bemittelte Abnehmer verkauft wurde, stellte man schon früh hochwertiger Wein für die weiter entfernten Absatzmärkte Paris und Flandern her. Der Champagner in seiner heutigen Form als in Flaschen abgefüllter Schaumwein entstand erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts und wurde bald zum Modegetränk des europäischen Adels, wobei sich die nationalen Geschmacksvorlieben stark unterschieden.

Im letzten Vortrag stellte Philippe Roudié (Bordeaux) mit einer durch den Weinproduzenten und Gelehrten Georges Martin verfertigten Abschrift der bei der „seconde loterie nationale“ (1795) aus den Kellern des in Paris ansässigen Adels beschlagnahmten Weinvorräte eine Quelle vor, die einen Einblick in die Preise sowie die bevorzugten Sorten gewährt. Stammen die meisten Weine aus der Champagne und Bordeaux, so ist bereits eine große Bandbreite an heute noch geschätzten Weinregionen vertreten. Eine geringere Kontinuität stellt man für die Rangliste der Preise fest, auf welcher der Champagner lediglich im mittleren Bereich liegt.

In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere noch einmal die von Robert Pitte aufgeworfene Frage erörtert, welche Faktoren gerade die Champagne zum Herstellungsort einer ganz besonderen Weinsorte gemacht haben. Wirkte sich hierbei einerseits die Entfernung der Absatzmärkte stimulierend auf die Qualität der Weinproduktion aus, so erhöhten die Transportkosten und das exotische Image wiederum die Wertschätzung und den Preis des Weines. Weitere Faktoren scheinen die Größe der Weingüter sowie soziale Strukturen und Netzwerke, wie die im Fall des Champagners häufigen Familienbetriebe, gewesen zu sein.

In seiner Zusammenfassung hielt Jean-Pierre Poussou (Paris) erste Ergebnisse des Kolloquiums fest. Ist die Geschichte des Champagners nicht von der generellen Entwicklung der Weinproduktion zu trennen, so ist dieser in seiner Eigenschaft als Luxusprodukt in besonderer Weise mit den jeweiligen zeitgenössischen Moden und Gepflogenheiten verknüpft. Das prädestiniert ihn zu ausgiebig betriebenen kulturgeschichtlichen Untersuchungen. Als vorläufiges Ergebnis des Kolloquiums kann die Vermutung einer „deutschen Sonderrolle“ (exeption allemande) gelten, die durch den großen Anteil von Deutschen sowohl in der Produktion als auch im Konsum sowie die Untersuchungen zur Besatzungszeit belegt wurde. Um diese Annahme zu bestätigen bedarf es weiterer Forschungen im Bereich der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte sowie weitere sozialgeschichtliche Analysen der Produzenten.

Nach getaner Pflicht konnten sich die Tagungsteilnehmer noch einer Führung durch Haus und Keller von Moët & Chandon erfreuen (incl. Champagnerprobe) und anschließend im Anbaugebiet sogar die Weinernte beobachten, die passend zum Kolloquium in diesen Tagen statt fand.

Anmerkung:
1 Claire Desbois, L’extraordinaire aventure du champagne Moët et Chandon, une affaire de famille, 1792-1914, Paris 2003.


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